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Durch Hinweise in Veröffentlichungen von Inge Hansen-Schaberg, der Biografin von Minna Specht, bin ich (Ralf Schaper) auf Materialien zum Internationalen Jugendbund (IJB) bzw. zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) im Bundesarchiv Berlin aufmerksam geworden. Dort existieren 7,5 m Unterlagen, genannt Nachlass Nelson, die bisher meines Wissens kaum ausgewertet wurden.
Im Zuge der Beschlagnahme der Bibliothek in der Walkemühle 1934
seien im November 1934 „noch nachträglich in einer Kammer ein Teil (ca. 20 Ctr.) schriftliches Material – Drucksachen und lose Schriftstücke – vorgefunden worden“,
so Dokumente im Hessischen Staatsarchiv Marburg.
Teile dieses Materials sind dann von der Gestapo nach Berlin „verbracht“ worden. Dort wurde es 1945 von der Roten Armee gefunden und nach Moskau transportiert. Gemäß Findbuch im Bundesarchiv Berlin „kam das Material im Zuge von Aktenabgaben der UdSSR an die DDR 1957 und 1959 in das Deutsche Zentralarchiv in Potsdam“ und von dort nach 1990 in das Bundesarchiv.
Die Unterlagen aus der Walkemühle umfassen u.a. Schriftwechsel von 1920 bis 1933 an den Bundesvorstand des IJB bzw. ISK. Das Material ist – überraschend – in gutem Zustand.
So befinden sich etwa im Bestand „Nachlass Nelson N 2210-20“ allein ca. 80 Seiten Texte von Nora Block, teilweise Briefe an Leonard Nelson bzw. Protokolle aus dem IJB. Die Texte sind meist handschriftlich. Einige der Abschriften werden hier zugänglich gemacht.
Nora Block protokollierte z.B. eine Sitzung der Ortsgruppe Göttingen des Internationalen Jugendbundes vom Juli 1925. In diesen „Fragen und Antworten“ werden kritische Fragen zum IJB formuliert und dazu „offizielle“ Antworten gegeben. So wird das Selbstverständnis des IJB deutlich.
Zu dem Ausbildungskurs des IJB im August 1925 und dem anschließenden Bundestag des IJB in der Walkemühle sind in den Beständen des Bundesarchivs im Nachlass Nelson, N 2210-256 bzw. N 2210-257, über 500 Seiten Dokumente vorhanden. Diese waren zu Veröffentlichung vorgesehen.
Nora Block hat 1925 den Ausbildungskurs in der Walkemühle wesentlich mitgestaltet. Vier ihrer Texte – insbesondere zwei Reden – finden sich auf dieser Seite.
Erwähnt seien hier auch vier – teils längere – Briefe von Nora Block an Zeko Torboff aus dem Zeitraum Januar bis März 1925, zwei im Auftrag von Leonard Nelson. Diese Briefe sind in dem Buch „Erinnerungen an Leonard Nelson (1925-1927)“ (Hildesheim, 2005) von Zeko Torbov vollständig abgedruckt.
In dem Buch finden sich ebenfalls einige Formulierungen über den Ausbildungskurs von Torboff.
In Göttingen wohnte Nora Block 1925 zeitweilig im selben Haus wie Leonard Nelson, im Nikolausberger Weg 61 – nicht 67, wie manchmal fälschlicherweise zu lesen ist. Nelson litt an Schlaflosigkeit und arbeitete deshalb häufig nachts. Daher sind einige Briefe an ihn im gemeinsamen Haus gerichtet.
Die Briefe sind nur selten mit einer Zieladresse versehen, z.B. Walkemühle bei Melsungen. Aus dem jeweiligen Inhalt und anderen Hinweisen lässt sich manchmal schließen, dass ein Brief für Nelson an eine auswärtige Adresse gesandt wurde.
Nicht alle Personen, deren Namen in den Briefen erwähnt werden, konnten identifiziert werden. Manche dieser Namen finden sich auch in der Einladungsliste (BArch N 2210-256) zum Bundestag des IJB im August 1925 in der Walkemühle, einige Hinweise liefert auch die Biografie von Nora Platiel (Haas-Rietschel, Hering, 1990) bzw. das schon genannte Buch von Torbov.
In Abschriften werden hier sechs Briefe wiedergegeben und mit wenigen Ergänzungen bzw. Erläuterungen versehen, um das Verständnis etwas zu erleichtern.
Am 3. Januar 1925 schrieb Nora Block zwei Briefe an Nelson. Der Erste verdeutlicht ihre Tätigkeiten als – man kann wohl sagen – seinerzeitige Chefsekretärin von Nelson mit unterschiedlichsten Aufgaben.
Abends um 10 Uhr schreibt sie dann einen zweiten, sehr persönlichen Brief.
Die beiden Briefe vom 11. März 1925 bzw. vom 23. März 1925 sind typische Beispiele für den Briefwechsel Block/Nelson und ihre enge Zusammenarbeit. Die Briefe befassen sich mit verschiedenen Themen, die teilweise nur kurz erwähnt werden.
Im ersten Teil des sechsseitigen Briefes vom 9. April 1925 bittet Nora Block Leonard Nelson um Rat bzgl. dreier juristischer Dissertationsthemen, wobei sie selbst das Thema „Der Begriff des Arbeitnehmers“ für sich präferiert.
Im zweiten Teil dieses Briefes gibt sie Nelson einige Ratschläge zum Verhalten des IJB in der damaligen Auseinandersetzung der SPD zu dem Präsidentschaftskandidaten des Zentrums, Wilhelm Marx. Dabei werden von ihr im April 1925 (!) Überlegungen formuliert bzgl. eines möglichen Ausschlusses der IJB Mitglieder aus der SPD. Das passierte im November 1925. Mir sind keine veröffentlichen Texte bekannt, in denen schon in einem so frühen Zeitpunkt die Gefahr des Ausschlusses aus der SPD behandelt wird.
Anfang November 1925 fasste nämlich der Parteivorstand der SPD den Beschluss zum Ausschluss der IJB-Mitglieder aus der SPD. In dem Brief vom 17. November 1925 an Leonard Nelson macht Nora Block den Vorschlag
"[...] dass Sie eine Besprechung der Lage und des Aktionsplanes in möglich absehbarer Zeit, wenn möglich, noch vor unserem Heraustreten mit dem Flugblatt arrangieren. Wenn wir das Flugblatt heraus gebracht haben, sind wir in unseren Handlungen nicht mehr frei. Ich mache den Vorschlag, weil mir wichtig erscheint, dass Sie sich vor Beginn einer so weit tragenden Aktion mit Ihren engen Mitarbeitern verständigen. [...]"